Jede Woche stosse ich auf Texte und Beiträge, die zeigen, dass sich die Medienwelt weiter fundamental verändert. Nicht immer ist mir ganz klar, wie sie zusammen gehören und was genau die Konsequenzen sein werden. Aber sie deuten auf grundlegende Bewegungen hin.
Brand Journalism und wieso Chevron auch eine Lokalzeitung ist.
Der Andrew Edgecliffe-Johnson von der Financial Times hat am 19. September 2014 einen ausgezeichneten Artikel unter dem Titel «The invasion of corporate news» publiziert. Immer mehr Unternehmen werden zu Medienhäusern und verstärken ihre PR-Aktivitäten. Dabei geht es ihnen nicht in erster Linie darum, Journalisten zu beeinflussen, sondern wenn immer möglich die klassischen Medien zu umgehen. «Now we’ve got a way of reaching people who read what we say and we don’t have to rely on the Daily Mail», wird etwa Sir Richard Branson zitiert. In dem ausführlichen Artikel zeigt Edgecliffe-Johnson auf, wie PR heute funktioniert und welche Anstrengungen von Firmen unternommen werden, damit sich Journalisten nicht mehr anstrengen müssen. Oder wie Unternehmen den Job von Journalisten und Zeitungen gleich selbst übernehmen: Der Ölkonzern Chevron publiziert in seiner Heimatstadt Richmond seit letztem Januar den Richmond Standard. Die News über Vorfälle in Chevron-Raffinierien lesen sich dann so: «The clouds that could be seen above Chevron Richmond refinery Wednesday morning were actually harmless steam clouds.»
Amazon und YouTube machen die neuen Hollywood-Stars
Spiegel Online hat im September eine fünfteilige Reportage zum Thema «Fernsehen der Zukunft» veröffentlicht. Stefan Schultz geht dabei den Aktivitäten der wichtigsten Akteure des Internet-Fernsehens nach und erklärt, wieso YouTube den bekanntesten YouTube-Stars teures Equipment kostenlos zur Verfügung stellt. Amazon produziert Fernsehserien in Hollywood und teilt mit Netflix die Sichtweise, dass Daten die besten Entscheidungsgrundlagen sind. Das hat spannende Nebeneffekte: Die Kreativen etwa geniessen grosse Freiheiten in der Umsetzung – weil die Verantwortlichen nicht mehr dreinreden wollen, wenn die Daten mal ihr Wort gesprochen haben. Passend dazu bin ich bei BusinessInsider auf die Rangliste der bestverdienenden YouTube-Stars gestossen. Mit Unboxing-Videos von Disney-Spielzeug lassen sich erkleckliche Summen verdienen.
Bezahlte Blogger und Influencer Marketing
Kim Celestre von Forrester wird deutlich: «If You Are Thinking About Paying Your Influencers…Stop». Zur Begründung gibt sie an: Berichte von bezahlten Bloggern verwässern die Authentizität von Botschaft und Bote, viele Influencer reagieren irritiert auf entsprechende Annäherungsversuche und in vielen Ländern ergeben sich auch rechtliche Fragen daraus. Sie rät dazu, statt quantitative «Brand Mentions» zu suchen lieber «organic nonpaid approaches» gegenübern wichtigen Beeinflussern aufzubauen. Nicht zu dem Thema, aber eben doch irgendwie im Zusammenhang sei hier nochmals auf die Last Week Tonight-Ausgabe hingewiesen, in der John Oliver erklärt, was Native Advertising eigentlich ist.
Photokina und die Berichterstattung dazu
Grosse Tage für Fans von kleinen schwarzen Kisten: In Köln hat die diesjährige Photokina stattgefunden. Für die Branche ist die Photokina einer der wichtigen Anlässe im Messejahr, um Neuheiten und Produktankündigungen vorzustellen. Natürlich führt das in den Online-Medien zu viel Rummel, Rumours-Seiten überquellen in den Wochen vorher mit Gerüchten und Halbwahrheiten. Die «seriösen» Sites wie etwa DPreview fahren eine ausführliche Berichterstattung, mit einigen Leuten vor Ort und produzieren 20 bis 30 Beiträgen von der Messe. Neue Produkte werden am Tag der Vorstellung bereits ausführlich präsentiert und erste Vorab-Tests werden online gestellt. Die Leser interessiert’s: Der Artikel etwa zu der neuen Panasonic LX100 hatte zwei Tage nach Publikation bereits über 1000 Kommentare. Im Gegensatz dazu kann man z.B. bei Colorfoto.de einen Blick auf die Berichterstattung werfen, die ein Printmagazin im Web macht: Ein Artikel. Das heisst, nein, kein Artikel. Eine Bild-Klick-Strecke aller Neuheiten. Das war’s. Ich nehme an, in gewohnter Printmanier wird das beste eben für den Drucktitel aufgespart. Bloss: Wenn die neue Ausgabe in einem Monat erscheint, wird es niemanden mehr interessieren.
Schreibe einen Kommentar