Social Media: Le Shitstorm n’existe pas

Shitstorms sorgen für Aufregung und Unternehmen wappnen sich gegen die konzertierten Empörungswellen. Dabei geht ein Thema vergessen, das für viele Firmen auf Facebook viel wichtiger wäre: die gute alte Einwandsbehandlung.

Sie sind das viel diskutierte Social Media-Thema der Saison: Shitstorms – riesige Empörungswellen, die sich via Social Media über Unternehmen ergiessen. Inzwischen gibt es Dutzende von Anleitungen, Tipps und Tricks zu dem Thema – sogar spezialisierte Agenturen bieten Hotlines für Notfälle an.

Shitstorm sind konzertierte Aktionen

Bloss: Für die meisten Unternehmen und ihr Social Media-Alltagsgeschäft sind Shitstorms keine besonders relevante Gefahr. Wie Campaigning-Experte Daniel Graf in Wie starte ich einen Shitstorm? erläutert:

Empörungswellen sind selten Produkte des Zufalls, sondern die Folge von mehr oder weniger professionellen Kampagnen. Deren Ziel ist es, öffentlichen Druck zu erzeugen.

Shitstorms sind in aller Regel Kampagnen, die von NGOs lanciert werden. Ein legitimes Mittel, wie ich finde, um für die eigenen Anliegen Aufmerksamkeit zu generieren.

Interessant genug für einen Shitstorm?

Wie man das macht, beschreiben Daniel Graf und Dominik Ryser in einem eigenen How to-Guide. Eine wichtige Voraussetzung dafür ist ein lohnenswertes Ziel. Das Unternehmen im Visier muss einen entsprechenden Resonanzkörper bieten – also ausreichend hohe Bekanntheit haben, interessant für die Medien sein und im besten Fall bereits einen Track Record in, sagen wir, nicht so nachhaltigem Unternehmertum aufweisen. Ein mittleres Unternehmen aus der Schweiz erfüllt diese Bedingungen meistens nicht.

Wichtiges geht vergessen: Kundenanliegen

Die ganze Diskussion lenkt ein wenig davon ab, was für viele Unternehmen auf Facebook wirklich wichtig wäre: die Kundenreklamation. Das ist das tägliche Brot von Community Managern, die für ein Unternehmen eine Facebook- oder Twitter-Community betreuen – die gute alte Einwandsbehandlung.

Da immer mehr Nutzer Facebook als Servicekanal einsetzen, müssen Unternehmen diese Dienstleistung erbringen. Die meisten Unternehmen machen das seit jeher, einfach per Telefon, persönlich oder schriftlich. Facebook stellt zusätzliche Anforderungen. Ein Community Manager oder ein Customer Care-Mitarbeiter, der Einwände von Kunden abarbeiten muss, sollte einige wichtige Voraussetzungen mitbringen. Zum Beispiel und nicht abschliessend:

  • Er muss ein klares Verständnis seiner Rolle haben. Meistens ist er Moderator und Facilitator und nicht Diskussionsteilnehmer, ergreift also nicht so sehr Partei, sondern sorgt dafür, dass alle gehört werden und ihr Anliegen ernst genommen wird.
  • Er weiss um die Grundlagen der zwischenmenschlichen Kommunikation und beherrscht den guten alten Schulz von Thun aus dem Effeff – Sach- und Beziehungsebenen auseinanderhalten zu können ist eine Schlüsselkompetenz.
  • Er beherrscht die Regeln und Techniken der Kommunikation wie aktives Zuhören und Fragetechniken.
  • Er hat eine Idee von gruppendynamischen Prozessen und kann die Auswirkungen seines Handelns auf die Gruppe im Voraus abschätzen.

Kann der Community Manager das?

Die Anforderungen an einen Social Media Community Manager sind hoch, weil die Arbeitsbedingungen schwierig sind: Die ganze Kommunikation geschieht – sehr reduziert – auf schriftlichem Weg. Man stelle sich vor, man müsste ein schwieriges Mitarbeitergespräch per E-Mail führen – dann kriegt man ungefähr ein Gefühl dafür, wie sehr die Worte auf die Goldwaage zu legen sind. Dazu kommt, dass das Gespräch meistens öffentlich stattfindet, auf der Pinnwand von Facebook und für jeden einsehbar. Andere Diskussionsteilnehmer können sich bei einer Servicereklamation ins Gespräch einbringen – auch wenn sie selbst nicht direkt betroffen sind.

Die Leute, die wirklich wichtig sind: Kunden

Der Shitstorm existiert natürlich und er wird noch weiter professionalisiert werden. Bloss: Die meisten Unternehmen werden nie davon betroffen sein. Praktisch jedes Unternehmen wird aber auf Facebook oder Twitter Einwandsbehandlung machen müssen. Es lohnt sich, die eigenen Mitarbeiter für diese Alltagssituationen auszubilden und dafür bereit zu sein. Denn das ist keine Ausnahmesituation, sondern passiert «any given Sunday». Und im Gegensatz zu dem Shitstorm geht es hier um die Leute, die für ein Unternehmen wirklich wichtig sind: die eigenen Kunden.


Beitrag veröffentlicht

in

von

Schlagwörter:

Kommentare

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert