Ein berufliches Netzwerk aufzubauen und zu pflegen bringt viele Vorteile – trotzdem sträuben sich viele Leute gegen Networking-Events. Weil, wie die Forschung zeigt: Sie finden es unmoralisch.
Der Apéro nach dem Vortrag ist das eigentlich Wichtige an einer Veranstaltung. Denn dort knüpft man Kontakte, dort trifft man neue Leute, dort ergeben sich allenfalls zukünftige Gelegenheiten. Vielen, und da gehöre ich ebenfalls dazu, fällt es aber nicht immer leicht: Für mich fühlt es sich häufig etwas berechnend an – es ist nicht besonders nett, fremde Leute mit der Absicht anzugehen, aus der entstehenden Verbindung irgendwie zu profitieren.
Wir müssen die Hände in Unschuld waschen
Forscher der Harvard Business School haben nun nachgewiesen, dass ich da nicht alleine bin: Viele Leute fühlen sich nach beruflichem Netzwerken «schmutzig» und wenig authentisch. «Schmutzig» ist ein Gefühl, dass wir mit Unmoral in Verbindung bringen und das auftaucht, nachdem wir eine Grenze überschritten haben, etwas Ungerechtes oder gar Böses getan haben. Nicht von ungefähr waschen wir die Hände in Unschuld.
Ungeplante Treffen finden wir weniger schlimm
Francesca Gino, Professorin an der Harvard Business School, hat versucht, ihre «Networking makes us feel dirty»-Hypothese zu verifizieren. In verschiedenen Experimenten hat sie Versuchspersonen mit Vorfällen und Geschichten rund um den Aufbau von instrumentalisierten Verbindungen konfrontiert. Die meisten gaben danach an, sich schmutziger zu fühlen. Dieses Phänomen trat vor allem auf, wenn es sich um beabsichtigtes Netzwerken handelte, etwas weniger, wenn es um Vorkommnisse ging, bei denen Menschen zufällig auf andere Leute trafen.
Auch bewiesen: Networking lohnt sich
Ein weiteres Experiment in einer US-Anwaltsfirma zeigte ausserdem, dass Menschen, die mit Netzwerken nichts Unmoralisches verbinden, deutlich bessere Geschäftsresultate erzielen. Die Anwälte, die ihr Netzwerk ohne negative Gefühle aufbauten und pflegten, wiesen mehr abrechenbare Stunden auf. Ginos Experimente zeigten auch, dass Leute in einflussreichen Positionen von weniger negativen Gefühlen geplagt sind, wenn es um das Thema Netzwerken geht.
Wer etwas mitbringt, fühlt sich besser
Ginos Vermutung: Wer in einer einflussreichen Position ist, geht davon aus, dass er oder sie etwas in eine neue Beziehung einbringen kann – und nicht nur davon profitieren will. Ihr Tipp: Wer sich das nächste Mal für einen Netzwerk-Event anmeldet, soll sich auf das fokussieren, was er dort einbringen kann – und weniger auf die eigenen Ziele oder Absichten.
Francesca Gino ist in ihren Studien vor allem den Fragen rund um das «physische» Networking nachgegangen. Meiner Erfahrung nach gilt für Online-Netzwerke genau das gleiche: Es zählt, was man dort einbringen kann. Das gilt sowohl für Unternehmen, die eine Social-Media-Präsenz aufbauen wollen als auch für Einzelpersonen. Wer nichts Schlaues zu erzählen hat, wird online nicht viele Freunde finden.
Professional Networking Makes People Feel Dirty, Harvard Business School, 9. Februar 2015
[violett_box]
tl;dr
Wir finden es nicht richtig, nur auf den eigenen Vorteil aus zu sein. Der Tipp: Beziehungen lassen sich besser aufbauen, wenn man etwas einzubringen hat.
[/violett_box]
Schreibe einen Kommentar