Corporate Blogs: Was meinen Sie eigentlich?

Meinungen und Standpunkte sind das Salz der publizistischen Suppe. PR-Fachleute tun sich in der Unternehmenskommunikation aber häufig schwer damit. Eine vergebene Chance und viel Langeweile.

Mit einem Corporate Blog wird ein Unternehmen zu einem Medienhaus, und muss sich überlegen, wie es die gewünschte Aufmerksamkeit erzielt. Die «Breaking News», die Primeurs, überlässt man am besten den Organisationen, die sich mit 24 Stunden-Redaktionen und einem Korrespondenten vor Ort darum kümmern. Vermutlich lohnt es sich als Unternehmen nicht, mithalten zu wollen; erstens weil die anderen schneller sind, und zweitens weil diese Art von News zu Commodities wird, die an jeder Ecke feilgeboten werden – wenig Gelegenheit, sich zu profilieren.

Eine Meinung zu haben lohnt sich

Daneben bleibt aber ein weites Feld von Möglichkeiten, um Relevanz für mein Publikum herzustellen. Der ganze Bereich der meinungsäussernden Darstellungsformen im Journalismus gehört dazu – etwa der Leitartikel, der Kommentar, die Kritik, die Glosse oder die Kolumne. Diese Textsorten stellen die Meinung des Schreibenden in den Mittelpunkt, basierend auf Fakten und Wissen, aber aus subjektiver Sicht des Einzelnen.

Meinungen informieren über Standpunkte, geben Bewertungen ab und teilen mit, was die Einstellung des Schreibenden ist. Im Dialog nutzen wir die Meinung des Gegenübers, um den eigenen Standpunkt zu überprüfen, weiter zu entwickeln und allenfalls Dinge neu oder anders zu beurteilen. Eine Meinung, basierend auf Wissen und Erfahrung, zu äussern, hilft meinem Gegenüber im besten Falle, die Welt ein Stück besser zu verstehen.

Als ein zum Medienhaus gewordenes Unternehmen biete ich so einen enormen Mehrwert: Ich helfe meinen Leserinnen und Lesern, Entwicklungen in meiner Branche oder in meinem Thema besser zu verstehen und einzuordnen. Angesichts des anschwellenden Informationsflusses wird diese Funktion je länger je nötiger. Oder wie es John Naisbitt umschrieb:

«Wir ertrinken in Informationen und dürsten nach Wissen.»

Vielleicht tritt man mal auf Füsse, klar.

Das Ganze hat nur einen Haken: Ich muss meine Meinung sagen. Und irgendjemand wird sich daran stören, wird sich ärgern, wird sogar etwas anderes behaupten – und das auf unserem Corporate Blog, den wir für teures Geld umgesetzt haben. Das ist für viele Kommunikationsspezialisten schwierig. Bisher lautete das Credo: Bloss nicht anecken. Unternehmenskommunikation heisst für viele Firmen, keine Angriffsfläche zu bieten und alle zufrieden zu stellen. Das funktioniert, keine Frage. Es ist bloss wahnsinnig langweilig und verhindert eine klare Positionierung im Markt. Was wiederum die Kernaufgabe der Kommunikationsfachleute wäre.

Andererseits geht es auch nicht darum, mit Brandreden die Welt zu erschüttern. Bloss darum, klar zu sagen, was man denkt. Etwa wie meine Kollegin Karin Friedli, die in einem Fachartikel aufzeigte, was «Seeding» ist und gleichzeitig ihre Meinung dazu deutlich macht. Es kann auch ein «Leitartikel» sein, wie hier der Eintrag von Namics-CEO Jürg Stuker zum Thema Social Media-Kommunikation. Er analysiert und kommt zum Schluss, dass sich gegenüber früher wenig verändert habe. Oder die grosse Nummer, wie sie etwa Bill Marriot fährt: Er erklärt in seinem «Hotelblog», wie man die US-amerikanische Wirtschaft wieder auf Kurs bringen könnte.

Unternehmen werden zu Medienhäusern

Natürlich, ein solcher Ansatz bringt einige Fragen mit sich, vor allem im Kontext von Unternehmen. Wer darf seine Meinung nach aussen vertreten? Will das überhaupt eine Mitarbeiterin oder ein Mitarbeiter? Gibt es eine «Unternehmensmeinung», die ich zu vertreten habe? Gilt es Unternehmensinteressen zu berücksichtigen? Was meint der CEO dazu, lässt die Corporate Communications-Abteilung sowas durch? Und häufig am wichtigsten: Entspricht das dem Corporate Wording??

Unternehmen werden zu Medienhäusern. Wer in Zukunft vermehrt mit interessanten Inhalten Menschen und Konsumenten anziehen will, wird zum Publisher. Firmen sehen sich damit einer ganzen Reihe von Fragen gegenüber, die bisher nur Verleger und Zeitungsmacher beantworten mussten. Es wird Zeit, dass sie ihren Platz auf der To Do-Liste des Chief Communication Officers finden.

Bild: Cory Doctorow auf flickr.com (CC BY-SA 2.0)


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