Umsatz ist das Ergebnis von Verführung

Der Umsatz ist eine beliebte Zielgrösse für Unternehmen. Damit lässt sich messen, ob das Handeln des Managements und der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter erfolgreich war. So weit so simpel. Was aber in vielen Managerköpfen geschieht, ist eine unheilvolle Verkürzung: Der Umsatz wird Gegenstand allen Denkens und Tuns – statt blosse Zielmarke wird der Umsatz zur Hauptsache.

Begeisterung und Kompetenz

Was vergessen geht: Niemand kauft Dinge oder Dienstleistungen, damit der Verkäufer Umsatz macht. Kunden kaufen, weil sie vom Produkt begeistert sind. Weil sie den Verkäufer für kompetent halten. Und weil die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Verkäufers begeistern und kompetent sind. In Zeiten von austauschbaren Produkten und Dienstleistungen muss der Verkäufer die Kunden und Kundinnen umgarnen und verführen. Das Ergebnis dieser Romanze ist der Umsatz.

Ein Unternehmen muss dafür Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen verführen. Verantwortung, Mitsprache, kurze Entscheidungswege, flache Hierarchien, Lerngelegenheiten sind ein paar Stichworte dazu. Schlicht die Möglichkeit, sich selbst einzubringen und ernst genommen zu werden. Im besten Fall führt das zu Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die kompetent sind und ihre Kunden und Kundinnen begeistern.

Das missverstandene Prinzip der Kundenbindung

Solche Kunden werden treu bleiben. Zu lange wurde Kundenbindung im wörtlichen Sinne verstanden: Ich binde die Kunden an, ich mache die Hürden für den Ausstieg so hoch, dass niemand den Lieferanten wechselt. Das klappt heute nicht mehr. Netflix, Spotify, sogar mein Telekom-Anbieter lassen mich in einem Monat aus jedem Vertrag raus. Weil sie eingesehen haben, dass angebundene Kunden wenig treue Kunden sind. Bei der ersten Gelegenheit hauen sie ab.

Entsprechend muss sich das Unternehmen mehr anstrengen. Muss Kunden und Mitarbeiter begeistern und dafür sorgen, dass diese Investitionen in eine langfristige Treue münden. Selbst ein «Massengeschäft» wie der Detailhandel oder eine Fluggesellschaft kann es sich heute nicht mehr leisten, Kunden oder Mitarbeiter als gesichtslose Nummern zu behandeln.

Unternehmen sind sich selbst organisierende Systeme

Unternehmen von heute sind sich selbst organisierende Systeme. Die mechanistischen Modelle genügen nicht mehr. In selbstorganisierenden Systemen steht jedes Element mit den anderen Elementen in Verbindung, sowohl innerhalb der engeren Systemgrenzen (das Unternehmen) wie auch darüber hinweg (der Markt). Dadurch ergibt sich ein hoher Grad an Komplexität. Diese Komplexität muss man akzeptieren, um als Unternehmen erfolgreich zu sein.

Für die Unternehmensführung hat das Konsequenzen. Einmal sind die Folgen von Eingriffen in das System nur bedingt absehbar. Und jedes Element ist wichtig – weil die Veränderung eines einzelnen Elements zur Veränderung des gesamten Systems führt. Unternehmen heute sind lebende Organismen, nicht die Maschinen aus Zahnrädchen und Eisenstangen, wie wir sie aus Charlie Chaplin-Filmen kennen. Das macht Unternehmensführung sehr viel anspruchsvoller – aber sehr viel befriedigender.


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