Gadget-Mania! Der Schweizer Importeur Portacomp AG hat mir für eine Woche einen Fiio X5 und einen Cowon Plenue P1 zum Ausprobieren zur Verfügung gestellt. Ich selbst besitze den Fiio X3 – die grosse Frage: Lohnt sich ein Upgrade?
MP3-Player werden zu Digital Audio Player
Drei von vier Personen in der Schweiz besitzen ein Smartphone. Und damit ein Gerät, mit dem sie Musik hören können und das sie zudem immer dabei haben. Für Unternehmen, die Digital Audio Players verkaufen wollen, gibt es nur eine Nische: die Klangqualität. Beziehungsweise die Zielgruppe der Leute, die für ein Quäntchen besseren Ton ein separates Gerät mit sich rum tragen.
Deshalb heissen MP3-Player heute nicht mehr MP3-Player, sondern eben Digital Audio Player (DAP). Was insofern auch gerechtfertigt ist, weil sie weit mehr als MP3 abspielen können. «High resolution» ist das Schlagwort – also nicht verlustbehaftete MP3-Files, sondern verlustfrei komprimierte Datenformate wie WAV, FLAC oder Apple Lossless stehen hier im Vordergrund: Datenformate, die CD- oder sogar Super Audio-CD-Qualität liefern sollen – also mit 16 oder mit 24 Bit. Beide spielen inzwischen auch DSD (Direct Stream Digital) ab.
Die «bekannten» Brands in diesem Segment heissen Cowon, Fiio oder Astell & Kern. Der prominenteste Mitbewerber – Apple – hat den iPod Classic aus dem Programm genommen und sich aus dem Segment verabschiedet. Von dem Schweizer Importeur habe ich zwei Testgeräte erhalten, um die neue Mittelklasse der DAP auszuprobieren: Den Fiio X5 und den Cowon Plenue P1. Die beiden repräsentieren zwei Punkte der Mittelklasse: Der Fiio X5 ist für rund 350 Franken zu haben, während für den Cowon Plenue P1 etwas über 1100 Franken aufgerufen werden. Um das Spielfeld abzustecken: Das nächst kleinere Fiio-Modell, der X3, kostet 200 Franken. Gegen oben setzt Astell & Kern mit dem AK240 das Limit: Hier werden 3000 Franken fällig.
Design oder wieso wir Apple lieben
Beide machen ziemlich schnell klar, dass eben diese Klangqualität ihr USP sein soll. Weil das Design kann es nicht sein. Der Plenue schlägt sich hier noch einigermassen zeitgemäss, mit dem schlichten Rechteck-Look. Der Fiio X5 hingegen kopiert 2014 das Design des iPods von 2004. Über Design kann man sich streiten und es ist tatsächlich auch für mich nicht entscheidend. Der Vergleich mit Apple-Produkten zeigt aber, dass gelungene Design-Sprache nicht mal eben so vom Himmel fällt.
Sowohl der Fiio X5 wie auch der Cowon Plenue P1 kommen dafür mit einem Case: Einmal eine ganz furchtbare Silikonhülle beim Fiio, einmal ein offenbar sehr hochwertiges Leder-Case beim Cowon. Die fühlt sich zwar nicht so hochwertig an, schützt auch das Display nicht, aber stammt von einem italienischen Lieferanten mit klangvollem Namen.
Alles dabei ausser Kopfhörer
Ansonsten ist einiges an Zubehör dabei, etwa ein USB-Kabel oder ein OTG-Adapter. Prominente Abwesende: Kopfhörer werden nicht mitgeliefert und SD-Karten müssen separat gekauft werden. Der Fiio X5 verfügt über zwei SD-Card Slots und kann im Moment 2 mal 128GB Daten verwalten – zukünftige Firmware-Updates sollen Speichergrössen bis zu einem TB möglich machen. Der Cowon Plenue P1 kommt mit 128GB internem Speicher und einem zusätzlichen Kartenslot, verwaltet also bis zu 256GB. Selbst mit «Lossless» komprimierten Dateiformaten ist das für die meisten Fälle ausreichend.
Der Kopfhörer fehlt, weil in diesem Segment niemand mitgelieferte Stöpsel verwenden würde. Das ist sicherlich ein zweiter Kostenpunkt: Adäquate Kopfhörer kosten schnell ab 200 bis 300 Franken, das obere Limit liegt wohl so gegen 1000 Franken für Customized InEar-Hörer, die vom Hörgeräte-Spezialisten auf das individuelle Ohr angepasst werden.
Wenn man nicht genau weiss, was die Verdienste von Apple im Bereich Nutzerführung und Usability sind, sollte sich mal eines dieser Geräte ansehen. Man kann die Geräte bedienen und Musik hören, allerdings wird man eine Lernkurve durchlaufen. Die Nutzerführung ist wenig intuitiv, nicht immer ganz logisch und entspricht nicht immer den modernen Konventionen, wie wir sie von Smartphones kennen. Aber wie gesagt: Es geht um die Soundqualität. Da wollen wir nicht meckern und nach zwei, drei Stunden rumspielen ist man auch drin.
Fiio X5 oder Cowon Plenue P1 – welcher tönt besser?
Kommen wir zum Punkt bzw. zur Klangqualität: Beide Player klingen umwerfend. Meinen eigenen Fiio X3 habe ich schon in mehreren Shootouts gegen Smartphone und iPod Classic antreten lassen, die beiden liess der X3 locker hinter sich. Der Fiio X5 ist noch ein Stück besser als der X3. Man hört mehr Details und im Hintergrund, wenn nichts zu hören ist, ist auch nichts zu hören – kein Rauschen, nix – nur Stille. Das macht sich im Gesamteindruck der Klangqualität deutlich bemerkbar, beim Cowon Plenue P1 noch ein Stück mehr als beim Fiio X5.
Beide bieten umfangreiche Equalizer-Funktionen und unzählige Presets. Also alle individuellen Geschmäcker wie Anteil Bass o.ä. lassen sich einstellen. Aber bei den beiden für mich einigermassen objektiven Kriterien Detail und «Blackness» (der Hintergrund ist wirklich schwarz) lassen beide die günstigere Konkurrenz hinter sich. Bei den eher subjektiven Kriterien wie Lebendigkeit, das Gefühl, mitten im Geschehen zu stehen oder die «Weite» der Bühne fand ich beide ganz hervorragend. Das Klangbild breitet sich in den Kopfhörern aus und ich hatte einen fast 3D-mässigen Eindruck: Die Instrumente sind sauber getrennt und man «sieht», wo sie auf der Bühne stehen.
Wer braucht sowas?
Brauche ich einen Digital Audio Player für 400 oder 1200 Franken? Um es von Beginn weg klar zu machen – ich finde natürlich ja. Ich versuche trotzdem noch einige objektive Kriterien aufzuzählen:
- Der Speicherplatz: DAP’s bieten deutlich mehr Speicherplatz als die meisten Smartphones – ausser man verfügt über eines mit zusätzlichem SD-Slot.
- Das Akku-Problem: Mein DAP «entlastet» meinen Smartphone-Akku.
- Dateiformate: Viele Smartphones spielen keine Lossless-Formate, dafür braucht’s einen DAP.
- Damit verbunden die Klangqualität: Ein DAP ab der Qualität eines Fiio X3 tönt schlicht besser als jedes Smartphone.
Auf der Seite der Gegenargumente findet sich etwa das Gewicht: Ich bin bereit, ein extra Gerät zum Musikhören rumzutragen – aber das Gewicht sollte sich im Rahmen halten. In der Beziehung finde ich den Fiio X3 mit seinen 122 Gramm ideal. Ich nehme ihn auf mehrtägige Wanderungen mit, da zählt jedes Gramm und der X3 ist ein guter Kompromiss. Der Fiio X5 und der Cowon Plenue P1 bringen zwischen 170 und 190 Gramm auf die Waage.
Dann wäre da noch der Preis. Gegenüber dem Fiio X3 stellen sowohl der Plenue wie auch der X5 einen deutlich hörbaren Fortschritt dar. Und damit ist es auch gerechtfertigt, mehr Geld dafür zu verlangen. Zumindest wenn ich alleine zu Hause auf dem Sofa sitze und Musik höre. Beim Pendeln, im Zug oder draussen wird der Zugewinn alleine durch die Umgebungsgeräusche wohl schon wieder etwas kleiner.
Hier gilt es, das eigene Budget zu prüfen. Ich würde einen Cowon Plenue P1 sofort zum Kauf empfehlen, wenn Geld keine Rolle spielt. Weil für den Betrag bekommt man unglaubliche Qualität. Dasselbe gilt für den Fiio X5 – der auch mein Einstiegstipp ist. Wenn ich nicht schon einen Fiio X3 hätte, würde ich den X5 kaufen. Der Aufpreis gegenüber dem kleineren Schwestermodell ist auf jeden Fall gerechtfertigt.
Die wichtigsten Links und Bezugsquellen:
Produktseite zum Fiio X5
Produktseite zum Cowon Plenue P1
Kaufen kann man beide Geräte bei Digitec, Brack oder sehr gerne beim Händler hier um die Ecke, dem K55 in Zürich
Fiio X5-Thread bei Head-Fi
Disclaimer
Die beiden Geräte wurden mir von der Firma Portacomp AG kostenlos für eine Woche zur Verfügung gestellt – anschliessend gingen sie wieder zurück. Für diesen Blogbeitrag lasse ich mich nicht bezahlen und erhalte keine sonstigen Vergütungen; mit den Links zu den Bezugsquellen verdiene ich nichts. Ich habe keine Aktien von Fiio oder Cowon oder Apple und habe an keinem Medienanlass ein Brötchen gegessen. Ehrlich.
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