Facebook ist eine Walled Autobahn

What we’re trying to do is just make it really efficient for people to communicate, get information and share information. We always try to emphasize the utility component.

Mark Zuckerberg, Infrastruktur-Betreiber, im Time-Interview, 2007

Fahrbahn ist ein graues Band, weisse Streifen, grüner Rand.

Kraftwerk, «Autobahn», 1974

In Frankreich betreiben private Unternehmen die Autobahnen. Sie wollen, dass möglichst viele Leute möglichst oft und lange darauf fahren. Deshalb versuchen sie, die Reise angenehm zu machen. Indem sie z.B. Autobahn-Raststätten bauen, in denen sich die Leute verpflegen können, ohne die Autobahn zu verlassen. Wir alle schätzen diesen Service, er spart Zeit und entlastet uns von dem Aufwand, irgendwo da draussen ein Restaurant suchen zu müssen – in einer unbekannten Gegend, deren Sprache wir allenfalls nicht beherrschen. Wer sich an seine letzte Mahlzeit auf der Autobahn erinnert, weiss auch, was wir dafür in Kauf nehmen: Im günstigen Fall mittelmässiges Essen in Selbstbedienung zu überhöhten Preisen. Dafür sind die Transaktionskosten sehr gering.

Daneben gibt es Leute, die lieber über’s Land gondeln. Nicht mal wegen den Autobahngebühren – nein, sie mögen es, die Landschaft zu sehen, kleine Dörfer zu entdecken und an der nächsten Kreuzung die Richtung selbst zu bestimmen. Damit verbundene Risiken und Mehrkosten nehmen sie in Kauf. Für Teilstücke nutzen sie wieder die Autobahn, je nach Lust und Laune. Sie zeichnen sich durch eine gewisse Abenteuerlust aus, wissen sich in kritischen Momenten zu helfen und lassen sich die Entdeckerlaune Zeit kosten.

Das Internet ist eine Verkehrsinfrastruktur für Daten. Es war von Beginn weg etwas holprig: Tote Links, 404-Seiten, lange Wartezeiten, seltsame Flash-Animationen, Websites in fremden Sprachen und Warenkörbe und Kassen, die immer wieder anders funktionieren. 1994 war das Abenteuer, dann fanden wir es etwas lästig, inwzischen ist vieles besser geworden und wir selbst kompetenter im Umgang damit.

Die Idee war damals, Menschen miteinander zu vernetzen, zuerst mal die Wissenschaftler. Nichts anderes will Mark Zuckerberg mit Facebook. Tim Berners-Lee hat gezeigt, wie man Strassen baut und hat die ersten Wege gepfadet. Google stellt Wegweiser auf und hat so begonnen, erste Landstrassen anzulegen. Zuckerberg baut jetzt ein Autobahnnetz.

Zuckerberg ist im Infrastrukturgeschäft, wie Berners-Lee (mit dem wichtigen Unterschied, dass Zuckerberg wie Google Geld verdienen will). Das Infrastrukturgeschäft ist grösstenteils wertneutral. Wie beim Autobahnbetreiber: Ob die Leute mit Benzin- oder Elektromotoren unterwegs sind, ist höchstens nebensächlich. Hauptsache, sie fahren Autobahn. Es ist nicht das Ziel eines Infrastrukturbetreibers, die Freiheit der Leute zu beschneiden. Dieser Freiheitsentzug mag Mittel zum Zweck sein – kann aber meistens nur durch Verführung und Ausnutzen der Faulheit der Nutzer geschehen. Nett ausgedrückt: Indem die Transaktionskosten der Nutzung der eigenen Infrastruktur gering gehalten und die Kosten für den Wechsel auf eine andere hoch getrieben werden.

Ich persönlich mag diese Walled Gardens nicht sonderlich. «Umwege erhöhen die Ortskenntnisse» und ich schätze Abhängigkeit nicht. Aber das trifft auf mich zu. Ganz viele sehen das offenbar anders. Das Internet, «wie es früher war», war auch ein Internet des eingeschränkten Nutzerkreises. Heute haben wir in westeuropäischen Ländern eine Nutzungsquote um die 85 bis 90 Prozent. Gegenüber den etwa 40%, die wir noch vor 10 Jahren waren.

Das Internet verändert sich nicht von selbst. Die Nutzer verändern sich das Internet so, wie sie wollen. Sie nutzen es so, wie sie wollen. Das war eine der Ursprungsideen, wenn ich mich recht erinnere. Sie verändern es nicht unbedingt so, wie ich es gerne hätte. Tant pis. Als Schweizer ist man es sich gewöhnt, mit Mehrheitsentscheiden umzugehen – zähneknirschend und oft Haare raufend. Was mich nicht davon abhält, weiter «mein» Internet zu nutzen und dafür Werbung zu machen.

Dazu sehr lesenswert: Martin Weigert bei netzwertig.com über den Abschied vom Netz, wie wir es kennen.


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