Datensammler, Sichtbarkeits-Monopolisten und Klassengesellschafter: Meine Fragen für das Web der Zukunft

Überwachung, NSA, Snowden. Begriffe, die die Web-Diskussion seit einigen Monaten prägen, im deutschsprachigen Raum unter anderem anhand der Diagnose von Sascha Lobo, dass das Internet kaputt sei. Da wird heiss diskutiert – wobei ich erstaunt feststelle, dass die Diskussion offenbar nur wenig in die alltägliche Lebens- und Erfahrungswelt der meisten Menschen eindringt. Natürlich sind alle empört, weiter scheint es aber nicht zu gehen. Business as usual.

Zwar glaube ich selber nicht, dass das Internet kaputt ist. Aber es gibt einige Dinge, dies- und jenseits des Internets, die mir Sorgen machen. Und mit denen wir uns in naher Zukunft wohl auseinandersetzen werden. Ich beginne deshalb, unstrukturiert meine Fragen aufzulisten. Diese Fragen beziehen sich vor allem auf negative Aspekte – was nicht heissen soll, dass ich grundsätzlich pessimistisch unterwegs wäre. Im Gegenteil, ich bin zuversichtlich, dass es Lösungen gibt. Bloss beschäftigen müssen wir uns damit, um für die Mehrheit ungünstige Entwicklungen möglichst zu umschiffen.

Die Datensammler

Immer mehr Unternehmen sammeln Daten. So weit so gut, meistens tun sie das ja mit meinem impliziten Einverständnis. Meine Sorge ist bloss: Was, wenn diese Unternehmen im grossen Stil beginnen, diese Daten untereinander auszutauschen bzw. untereinander verkaufen? Die üblichen Verdächtigen wie Google und Facebook werden häufig diskutiert. Was aber ist mit den Telefongesellschaften oder Kreditkartenfirmen, die ihre Datenschätze versilbern? Wenn Visa oder Mastercard meine Restaurant-Belege an die Krankenkasse liefern? 2012 hat der Economist über den Chef einer «Underwriting-Technology Consultancy» geschrieben: „Mr Pledge himself has begun to forgo his supermarket loyalty-card discount on junk food and pay for his burgers in cash.“

Die Sichtbarkeits-Monopolisten

Nicht neu, aber ich finde nicht weniger drängend: Google und zunehmend Facebook bestimmen, was wir im Web sehen. Ich habe keine Angst vor der «Filter Bubble». Aber sorgenvoll stimmt mich, dass Google Firmen vermutlich per Knopfdruck aus seinem Index verschwinden lassen kann. In Ländern, in denen Google über 90% Anteil am Suchmaschinenmarkt hat, dürfte das katastrophale Auswirkungen für die Unternehmen haben. Praktisch würden sie aufhören zu existieren. Das könnte ein Problem werden, wenn Google weiter zum stark diversifizierten Konzern anwächst, der zum Beispiel mit Flugreisen Geld verdienen will.

Die Klassengesellschafter

Vor wenigen Tagen hat ein US-Gericht die Netzneutralität aufgehoben. Das heisst, Telekom-Provider müssen nicht mehr alle Datenpakete im Netz gleich behandeln. Grosse Anbieter können bezahlen, um schneller durch die Leitung zum Kunden zu gelangen. Die EU stellt sich offiziell gegen solche Praktiken in Europa, Kritiker sehen aber auch auf unserem Kontinent eine Zwei-Klassen-Gesellschaft im Web aufziehen. Im Moment – zumindest für mich als Laien – ist es schwer, abzuschätzen, was diese Urteile bedeuten bzw. welche konkreten Auswirkungen sie haben. Aber es lässt mich schon mit einigen Fragen zurück: Wird es für Web-Startups schwieriger, in einen Markt einzudringen? Oder wird das Web einfach noch kommerzieller, in dem kleine, unabhängige Angebote an die Wand gedrückt werden? Oder sind es tatsächlich die Armen in unseren Gesellschaften, die sich dann einen schnellen Internetzugang nicht mehr leisten können, wie sich Wired fragt?

(Artikelbild: Martin Pettitt bei flickr.com, CC BY 2.0)


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