Bin ich der Totengräber der Zeitungen?

Tageszeitungen sterben, liest man überall. Und in diesen Tagen tun sie es auch reihenweise. Was für viele Betroffene – Unternehmen, Verleger, Mitarbeitende – sehr schwerwiegende Konsequenzen hat. Allerorts wird diskutiert, was die Gründe sind: Das Internet (natürlich), die angebliche «Kostenlos-Kultur», die Geschäftsmodelle der Verleger, der Journalismus bzw. dessen Krise und so weiter. Teilweise sehr interessante und aufschlussreiche Diskussionen, etwa hier, hier oder hier.

Beruflich bin ich im publizistischen Bereich tätig und beobachte die Entwicklungen. Was sind die Gründe, was geschieht da draussen? Selbstbezogen wie ich bin, beginne ich mit der Suche nach solchen Antworten immer bei mir selber – also Zeit für eine kleine Nabelschau: Ich habe keine Tageszeitung abonniert (trage auch zum Sterben bei), und würde mich trotzdem als informationsaffin bezeichnen. Mein täglicher Medienkonsum liegt vermutlich über dem Durchschnitt, wenn man das Fernsehen ausklammert (ich schaffe es einfach nicht, täglich 220 Minuten Fernsehkonsum zu toppen). Also habe ich mir einen Überblick über meine Mediengewohnheiten verschafft:

Radio: Ich mag Radio, insbesondere die Nachrichtensendungen. Immer aktuell, immer unaufdringlich, bieten einen guten ersten Newsüberblick während des Frühstücks. Radiomacher wissen um die begrenzte Aufmerksamkeit ihres Publikums und passen ihr Informationsangebot entsprechend an. DRS 1 ist meine Lieblingsstation, weil hier die morgendliche Gute Laune-Anmache fehlt und die Musikauswahl auch nicht schlimmer ist als auf anderen Kanälen: Vielleicht 20 Jahre älter, aber im grossen und ganzen gleich schlecht.

RSS Reader: RSS ist eine geniale und sehr unterschätzte Erfindung. Ich habe damit rund 250 Blogs und Newssites abonniert, jeden Morgen warten rund 100 bis 150 Artikel darauf, von mir gelesen zu werden. Daraus ergibt sich für mich ein Informationsmix, der so ziemlich genau meinen Interessen entspricht und von aussen gesehen ziemlich abstrus erscheinen musst: Von beruflich bezogenen Fachartikeln über Nachrichten zu meinen persönlichen Interessen (Micro Four Third-Kameras, etwa) bis hin zum täglichn Cartoon. Davon sortiere ich einiges schon nach dem Lesen der Überschriften aus, anderes überfliege ich, einige Artikel wiederum lese ich vertieft.

Twitter: Der Microblogging-Dienst wird mehr und mehr zur unverzichtbaren Newsquelle, insbesondere dank des Listen-Features. Ich habe mir eine Liste mit deutschsprachigen Medien zusammengestellt – damit ist es einfach, den Überblick über aktuelle Polit- oder Wirtschaftsneuigkeiten zu behalten. Gerade kürzlich habe ich eine Liste von Robert Scoble abonniert, die die Tweets der seiner Meinung nach «einflussreichsten Leute im Technologie-Bereich» zusammenbringt. Die Leute wiederum verweisen auf lesenswerte Artikel – die Liste ist also «Über-Meta». Hilft mir im Job sehr.

Print: Ich habe den Economist, die Brand Eins und die Harvard Business Review abonniert. Erstens weil sie Überblick, Gewichtung und Analyse bieten und mich auch auf Themen aufmerksam machen, die ich sonst übersehen hätte. Beziehungsweise weil sie mich auf längerfristige Entwicklungen aufmerksam machen und diese Entwicklungen aus verschiedensten Perspektiven beleuchten.

Bücher: Lese ich auf dem Kindle – einfach weil es meiner Meinung nach das beste Gerät dafür ist. Was ich ärgerlich finde, weil es mich von Amazon abhängig macht. Also hoffe ich auf andere Anbieter, die möglichst rasch ähnliche gute Reader auf den Markt bringen. Zum Beispiel um nachts im Dunkeln zu lesen. Sonst wünsche ich mir doch noch den Kindle Paperwhite (die Besprechung im Spiegel) zu Weihnachten. Beeilt euch, bitte.

Podcasts: Radiosendungen als Podcasts zu abonnieren ist eine ganz grossartige Erfindung. Mein Favorit sind die SWR2-Wissenssendungen. Davon höre ich mir wöchentlich mindestens zwei Ausgaben an. Ich liebe die Auswahl der Themen, die mich etwa gestern dazu gebracht hat, 30 Minuten lang den Archäologen zuzuhören, die das Schlachtfeld bei Lützen durchwühlen, auf dem 1632 die Armee des schwedischen Königs Gustav II. Adolf gegen die kaiserlichen Truppen unter Albrecht von Wallenstein gekämpft haben. Abartig.

Mit meinen bevorzugten Quellen, ob Internet oder Papier, ob gratis oder kostenpflichtig, komme ich in den Genuss einer unglaublich vielfältigen Medienlandschaft, die weder thematische noch geografische Grenzen kennt. Das ist noch nicht perfekt, ich muss nach wie vor viel Auswählen und Filtern. Aber: Wieso, um Himmels willen, sollte ich meine (leider nicht unendlich verfügbare) Aufmerksamkeit einem einzigen Medium, zum Beispiel einer Tageszeitung, schenken? Wieso sollte ich mich mit meinem ebenfalls begrenzten Budget für eine einzige Quelle entscheiden und mich ein Jahr lang daran binden?

(Bild: Marcus Winter bei flickr.com, CC BY SA 2.0)


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Kommentare

Eine Antwort zu „Bin ich der Totengräber der Zeitungen?“

  1. Avatar von Christoph Hess

    Du bist eher Realitätsvermittler: Wenn man für Medieninhalte Geld oder Aufmerksamkeit aufwenden soll, dann müssen diese das Geld oder die Aufmerksamkeit wert sein. So ist die Realität auch in allen anderen Branchen.

    Was hältst du von http://qz.com, die sagen sie seien für das 21. Jahrhundert was der Economist vor 150 Jahren und Wired in den 1990er Jahren war?

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